Netzausbau in der Steiermark: Langfristige Planung und aktuelle Projekte

Leistungsfähige Netze

Netzausbau in der Steiermark: Langfristige Planung und aktuelle Projekte

Netze sind langlebige Infrastruktur, eine frühzeitige und langfristige Planung ist daher wichtig. Der Österreichische Netzinfrastrukturplan sowie der erstmals im Jahr 2024 veröffentlichte steirische Netzentwicklungsplan der Energienetze Steiermark GmbH geben Orientierung.

 

Der dezentrale Ausbau erneuerbarer Energien und damit einhergehende Lastspitzen, die Integration von neuen Verbrauchsformen wie Wärmepumpen oder E-Mobilität, die Integration grüner Gase oder die aktive Teilnahme bislang passiver Verbraucher:innen erfordern eine beinahe zeitgleiche und koordinierte Ertüchtigung der Netzinfrastruktur. Die Konsequenz daraus: Die Komplexität in der Netzplanung, dem Netzbetrieb und der Netzinstandhaltung nimmt zu. Weshalb im Jahr 2024 der erste integrierte österreichische Netzinfrastrukturplan (ÖNIP) entstanden ist.

Der ÖNIP ist ein übergeordnetes strategisches Planungsinstrument zum zügigen, zielgerichteten Aus- und Umbau einer klug verschränkten Energieinfrastruktur. Er stellt damit eine Planungsgrundlage für wichtige Infrastrukturentscheidungen bis 2030 und auf dem Weg zu einem versorgungssicheren klimaneutralen Energiesystem 2040 dar. Die verschränkte Betrachtung der höherrangigen Energieübertragung für Strom, Gas und Wasserstoff erlaubt es, den Ausbau der erneuerbaren Energieerzeugung bestmöglich mit der Netzentwicklung, den Speichern und Flexibilitätsoptionen zu koordinieren.

Der ÖNIP ermöglicht einen Ausblick auf Energieverbrauch und Aufbringung, sowie eine österreichweit erstmals integrierte Infrastrukturplanung. Mehr dazu gibt es im Interview mit Thomas Kienberger. Zudem konnten aus dem ÖNIP folgende wegweisende Projekte abgeleitet werden:

 

  • das H2-Startnetz Österreich samt der Umwidmung von 1.400 km bestehender Gasleitungen und dem Neubau von 300 km Wasserstoffleitungen,
  • die Übersetzung des EU-Gaspaket samt Verordnung und Richtlinie in nationales Recht,
  • das Gaswirtschaftsgesetz (GWG) neu ab 2026,
  • und die Entwicklung eines Markt- und Finanzierungsmodells.

 

Netzentwicklungsplan für die Steiermark

Ergänzend zum österreichweiten Plan wurden auf Ebene der Verteilnetze Strom im Herbst 2024 die ersten Netzentwicklungspläne auf Bundesländerebene erarbeitet und veröffentlicht. Im Versorgungs- und Konzessionsgebiet der Energienetze Steiermark GmbH handelt es sich dabei um eine Fläche von über 10.000 km² bzw. 63,5 % der steirischen Landesfläche. Die restlichen Flächen werden durch 44 weiterverteilende Netzbetreiber versorgt, die größtenteils dem Netz der Energienetze Steiermark nachgelagert sind. Das ist im Bundesländervergleich die höchste Anzahl an weiterverteilenden Netzbetreibern. Die über 480.000 Verbrauchskunden, das sind Endkunden und Weiterverteiler, sowie die rund 50.000 Einspeiser (Stand 01.01.2025) sind zu 99,98 % des Jahres versorgt – ein europäischer Spitzenwert.

Aufgrund der unterschiedlichen geografischen Gegebenheiten in der Steiermark reicht die Netztopologie vom typischen Stadtnetz in der dicht besiedelten Landeshauptstadt Graz bis zu langen Netzausläufern in den alpinen Gebirgsräumen der Ober- wie auch der Weststeiermark. Die Mittelspannungsnetze werden in der Süd-, Ost-, Weststeiermark sowie in Graz hauptsächlich mit 20-kV betrieben, während in der Obersteiermark vorwiegend die 30-kV Ebene, sowie die Ebenen 5, 6 und 10-kV Anwendung finden. Große Verbraucher sind vor allem die Stahl- und Papierindustrie und Skibetriebe in der Obersteiermark, sowie der Industrieraum um Graz.

Die Kraftwerksstruktur setzt sich überwiegend aus Wasserkraftwerken an der Mur und Enns und Windkraftanlagen im Mur- und Mürztal sowie im weststeirischen Randgebirge zusammen, während Potential für großflächige PV-Anlagen hauptsächlich in der Ost- und Weststeiermark vorhanden ist. Das Gas-und-Dampf-Kombikraftwerk Mellach ist mit 832 MW das leistungsstärkste Kraftwerk Österreichs und speist je zur Hälfte direkt ins 110-kV Netz der Energienetze Steiermark GmbH beziehungsweise ins 380-kV Netz der Austrian Power Grid (APG) ein.

Stromnetz und Versorgungsgebiet der Energienetze Steiermark GmbH 2024

Die Abbildung zeigt das Stromnetz (in rot Hoch- und Mittelspannungsnetz) und das Versorgungsgebiet (grün hinterlegt) der Energienetze Steiermark GmbH, die Umspannwerke (schwarze Dreiecke) sowie APG-Übergabestellen (weiße Dreiecke) zum Übertragungsnetz der APG (blau). Konkrete Projekte für Ihre Region finden Sie im 2024 erstmals in diesem Detaillierungsgrad veröffentlichten Netzentwicklungplan der Energienetze Steiermark.

 

Projekthighlights

Netzinfrastruktur für Strom, (Misch)gase und Wasserstoff

  • Stromnetze: Das Investitionsvolumen steigt auf mehr als 200 Mio. Euro im Jahr 2025. Es  umfasst umfangreiche Maßmahmen in allen Netzebenen. Vier neue Übergabestellen zum Höchstspannunsgnetz der APG sowie zahlreiche Verstärkungen im 110-kV-Netz sind in Planung und teilweise auch bereits in Umsetzung. Zudem sind acht neue Umspannwerke der Energienetze Steiermark geplant beziehungsweise in Projektierung, 15 bestehende Umspannwerke werden verstärkt.
  • Gas- und Mischgas-Netze: Aktuell sind 10 % Wasserstoff (H2)-Beimischung möglich (gemäß ÖVGW-Regelwerk G B210). Zudem soll es in der Hochlaufphase eine parallele Infrastruktur für H2 und CH4 geben. Wichtig ist die Aufrechterhaltung des bestehenden Gas-Verteilnetzes für die Integration von grünen Gasen wie beispielsweise Biomethan und Wasserstoff. In der Steiermark befinden sich 16 bestehende Biogaserzeeugungsanlagen im Umkreis von weniger als 10 km zum Gasnetz. Die Energie Steiermark hat das Ziel, bis 2030 800 GWh Biomethan an das Gasnetz zu bringen. Dafür werden ca. 50 km Anschlussleitung errichtet.
  • Wasserstoffnetze: Strategisch verankert sind die Entflechtung, die Ertüchtigung und der Ausbau der H2-(Gas-) Infrastruktur bis 2035. Dazu zählen konkret die Ertüchtigung und der Ausbau von über 200 km H2-Netzen, wobei es für H2 und CH4 in der Hochlaufphase eine parallele Infrastruktur geben wird. Ebenfalls im Fokus steht die Anbindung der Industriezentren und Gas-Kraftwerke über das Verteilnetz sowie das Einspeisen und Verteilen großer H2-Mengen. Zentrale Ziele sind eine smarte Integration von großen Elektrolyseanlagen, die Einbindung von Gasspeichern sowie die Anbindung der Industriezentren und Kraftwerke an ein künftiges H2-Kernnetz.

 

Den genannten Überlappungen mit dem Thema Speicher und Flexibilitäten widmen wir uns verstärkt in einer Themenreihe „Zukunftsfitte Energiewirtschaft“.

 

Martina Kiefer
Public Affairs
Strategie und Business Development

publicaffairs(at)e-steiermark.com

Headerbild: zVg von Energienetze Steiermark GmbH
Aus unserem Blog

Das könnte Sie auch interessieren